Mittwoch, 20. Februar

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Am 20. Februar um 11 Uhr (also real mit zwei Stunden Verspaetung) fand eine Veranstaltung der C-CURA zur Rettung der Erdoelindustrie und zur Wiedereinstellung von Orlando Chirinho statt. Die Veranstaltung war im wesentlichen Vergleichbar mit einer BetriebsraetInnenkonferenz. Teilgenommen haben rund 250 ArbeiterInnen aus rund 150 bis 180 Betriebsgewerkschaften Venezuelas. Die Stimmung war extrem kaempferisch und wie bei uns eher nicht so ueblich kamen die GewerkschafterInnen teilweise mit Firmenpoloshirts. VertreterInnen der Grossbetriebe SIDOR, Alcassa, PDVSA (der staatliche Erdoelkonzern), Sanitarios Maracai (ein seit langem besetzter Betrieb), vom groessten Venezonlanischen Hafen, von beiden grossen Erdoelraffinerien, Pepsi Cola, etc. und natuerlich die wichtigsten Sekretaere der UNT.

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Beschlossen wurde unter anderem, dass die Besetzung des Arbeitsministeriums vorbereitet werden soll bzw die Forderung nach einer Verstaatlicheung dcer Industrie und im speziellen der Erdoelindustrie (die im Augenblick teilstaatlich und ueber Joint Ventures mit diversen Multis geteilt wird)

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Nach meiner Einschaetzung ueber die Stimmung, scheint Orlando Chirinho der uneingeschraenkte “Gewerkschaftsfuehrer” der IndustriearbeiterInnen Venezuelas (und bei der Veranstaltung waren nicht nur Chirinho loyale Leute dabei, sondern eine bunte Mischung).

Die Veranstalter waren mit der Anzahl und den TeilnehmerInnen ueberrascht:

  • ein bekannter linkschavistischer Barriofuehrer ist spontan aufgetaucht und hat seine Kritik an der Regierung und seine Solidaritaet mit Chirinho bekundet
  • ein aus der PSUV ausgeschlossener Parlamentsabgeordneter (er hat in der oeffentlich Korruption in einem Ministerium angekuendigt, worauf er von Chavez persoenlich ausgeschlossen wurde) ist gekommen, hat die korrupte Buerokratie kritisiert und auch Chirinho seine Solidaritaet ausgedrueckt.

Das Ende der Veranstaltung war ziemlich chaotisch, weil sie sich aufgrund der Laenge im Sand verlaufen hat – einige TeilnehmerInnen hatten dann doch eine ueber 6stuendige Heimreise.

Dienstag, 19. Februar – Nachmittag

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Am Dienstag Nachmittag haben wir uns mit Stalin Perez Borghes getroffen. Einigen ist er vielleicht ein Begriff, weil er vor zwei Jahren schon in Wien war. Der Stalin ist einer der nationalen Koordinatoren der UNT (das ist der eh schon erwaehnte Gewerkschaftsdachverband). Stalin war einer der wesentlichen Gewerkschaftsfuehrer der C-CURA und deren Vorsitzender im staerksten Industriebundesstaat Carabobo. Ueber den Konflikt um die Gruendung der PSUV und das Verfassungsreferendum hat sich die C-CURA dann gespalten in einen Teil der noch die alte C-CURA ist und eine politische Stroemung innerhalb der PSUV, der sich Marea Socialista nennt. Das “Projekt” Marea Socialista macht Stalin mit anderen Linkschavisten wie dem ebenfalls manchen in Wien bekannten Rubens Linares.

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Was bei unserem Gespraech mit dem Stalin rauskommt, ist, dass beide ehem. Teile der C-CURA ziemlich zerstritten sind, allerdings ist es schon so, dass die Menschen immer noch miteinander reden. Stalin glaubt, dass sich Venezuela gerade in der tiefsten Krise des Chavismus befindet, allerdings ebenso in der tiefsten Krise der ArbeiterInnenbewegung – eben aufgrund der Spaltung der C-CURA. Stalin gesteht auch ein, dass alles was Orlando Chrinio (der “Fuehrer” des anderen Teils der C-CURA) sagt inhaltlich richtig ist, ihn allerdings die Art , wie er seine Kritik am Chavismus vorbringt fuer viele in der Wahrnehmung als Rechten erscheinen laesst. Stalin stimmt mit Miguel Angel ueberein, dass die PSUV den grossteil ihrer Basis in den Barrios hat und das die PSUV nur ca. 700.000 Mitglieder hat. In der PSUV selbst, sieht Stalin eine grosse Unzufriedenheit gegenueber der Regierungspolitik und das Potential, dass sich die kritischen Kraefte in ihr sammeln und organisieren. Er beziffert die unzufriedenen linken mit ca. einem Drittel der PSUV.

Zur Rettung des revolutionaeren Projekts in Venezuela sieht Stalin zwei Moeglichkeiten:

  • eine perspektivische Spaltung der PSUV mit einem relativ starken linken Fluegel
  • eine grosse Streikbewegung, die den revolutionaeren Prozess wieder in Bewegung bringt (meiner Einschaetzung nach, kann diese Streikbewegung tatsaechlich kommen, wenn der unbefristete Streik im groessten venezolanischen Stahlwerk SIDOR kommenden Montag tatsaechlich startet (doch dazu spaeter mehr), denn die Situation auch unter den organisierten ArbeiterInnen ist mehr als unzufriedenstellend.

Stalin gesteht ein, dass der Chavismus soziale Errungenschaften gebracht hat, allerdings hat Chavez auf halbem Weg begonnen, sich als Koenig der Karibik zu fuehlen und ist als Weltrevolutionaer spazierengefahren, waehrend sich die Krise im eigenen Land verschaerft hat – hier verweist er auf die von mir schon beschriebene Lebensmittelknappheit und die Problematische Sicherheitslage. Hier muss ich mich verbessern: Die Aussage mit dem Koenig der Karibik kommt nicht von Stalin selbst, sondern er nennt sie uns nur als ein Beispiel, mit welcher Kritik an Chavez er immer wieder konfrontiert wird.

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Von der aktuellen Regierung erwartet er sich keine Linksschwenk, allerdings warnt er auch, dass wenn Chavez stuerzt, die alten Machteliten schon warten; die Macht selbst aber nur mit Gewalt und Militaer ausueben koennten. Was die Situation in der PSUV so problematisch macht, ist, dass sich immer bei internen Konflikten die Regierungsbuerokratie (und der Ausdruck ist meiner Einschaetzung nach hier durchaus angebracht, auch wenn das ueblicherweise nicht meine Ausdrucksweise ist – denn dieses Land erscheint mir sehr verbuerokratisiert) gegen die Basis durchsetzt.

Am Abend warma dann noch im Stalin seiner neuen Wohnung in Carracas mit ihm ein paar Bier heben!

Dienstag, 19. Februar – Vormittag

Wir sind in Carracas “gelandet” und haben einige anstrengende aber interessante politische Termine vor uns. Gleich am Dienstag Vormittag treffen wir uns auf der Uni von Carracas mit dem Miguel Angel Hernandes (Dozent am Institut fuer Soziologie und Theoretiker der C-CURA).

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Bevor ich schreibe, was uns der Miguel Angel alles erzaehlt hat, hier ein kleiner Ausflug in der ArbeiterInnenbewegung Venezuelas:

Bis vor ca. 10 Jahren (mich bitte hier nicht genau festnageln) haben ueberwiegend Sozialdemokratische Gewerkschaften dominiert. Wobei, das was hier sozialdemokratisch ist, schon was anderes wie bei uns ist. Ueberwiegend haben sich diese Gewerkschaften (hier gibts Betriebsgewerkschaften) mit den Arbeitgebern arrangiert/sich kaufen lassen/ bzw halt einfach Arbeitgeberpositionen vertreten – hier wirds sicher Abstufungen geben, aber im grossen und ganzen duerfte es das treffen. Seit eben 10 Jahren oder mehr haben diverse Linke Gewerkschaften in den Betrieben die “Macht uebernommen” und einen neuen Gewerkschaftsdachverband UNT gegruendet. In diesem Dachverband gibt es aber auch einen relativ starken christlichen Fluegel, der sich auch aus dem alten Dachverbant CTV verabschiedet hat. Die C-CURA, zu der wir hier Kontakte haben, ist ueberwiegend trotzkistisch und teilweise linkschavistisch (gerade das Verhaeltnis zur neue gegruendeten Linkspartei von Chavez – PSUV – ist fuer die aktuelle Spaltung in der C-CURA verantwortlich). Fuer alle Kritiker des Trotzkismus sei hier erklaert, dass es sich bei der C-CURA allerdings nicht wie bei uns um eine kleine “Minisekte” handelt (meine Freunde der radikalen Linken moegen mir diesen Ausdruck verzeihen) sondern um einen grossen gewerkschaftlichen Verband (davon hab ich mich selber ueberzeugen koennen) der in wesentlichen Industriebetrieben des Landes die Gewerkschaftsvorsitzenden stellt und die Gewerkschaftspolitik in Venezuela wesentlich praegt.

Doch wieder zurueck zum Miguel Angel:

Teile der C-CURA bereiten gerade die Gruendung einer neuen ArbeiterInnenpartei vor. Da so eine landesweite Parteigruendung gesetzlich allerdings recht aufwaendig ist, starten sie in 5 Bundesstaaten mit der Gruendung regionaler ArbeiterInnenparteien. Ein bissl absurd ist das hier gesetzlich allerdings schon, weil sowohl die Verwendung des Titels “Arbeiter” in einem Parteinamen verboten ist, als auch eine grosse Anzahl von Unterschriften aus allen Bundesstaaten fuer eine Parteigruendung notwendig sind. Der Miguel Angel schaetzt, dass die Parteigruendung in den 5 Staaten relativ glatt vor sich gehen wird und dass die Partei auch tatsaechlich eine Basis hat. Er erzaehlt, dass auch viele KollegInnen der C-CURA PSUV Mitglied sind, allerdings meistens, damit sie im Job (im staatlichen Bereich und in der Erdoelindustrie) keine Wickel bekommen. Die reale Anzahl an aktiven PSUV Mitgliedern schaetzt er auf 1 Million (ueber 5 Millionen haben sich als MG eingeschrieben). Laut dem Miguel Angel hat die C-CURA ihre Verankerung in der traditionellen Arbeiterklasse (also den IndustriearbeiterInnen), waehrend die Basis von Chaves (und somit auch der PSUV) das Barrio ist. Die Regierung versucht das aktuell gerade zu aendern, indem es wichtige Ministerposten mit Linkschavisten, die aus der ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung kommen, besetzt (zum Beispiel ist der Arbeitsminister ein Chavez loyaler Trotzkist).

Absurdes

  • Im Nobeleinkaufszentrum (in dem wir schon am Anfang unserer Reise in Carracas waren) ist jetzt auch die Milch ausgegangen. Nachdem wir dorthin Geld abheben gefahren sind, wollten wir in einem Lokal namens Cafe Memphis einen Kaffee trinken und wurden drauf hingewiesen, dass es fast alles ausser Kaffee gaebe. Den halt nicht, weil sie keine Milch haben – also: die Lebensmittelkrise haelt an.
  • In der Bank in der wir unser Geld abgehoben haben (eben in besagtem Nobeleinkaufszentrum) muss man sich erst mal wie beim Arzt eine Nummer ziehen (das ist in allen Banken hier so) und dann sind ihnen beim Lukas die 100 Bolivares Fuerte Scheine (30 Euro und hoechster Gelschein) ausgegangen, so dass sie dem Lukas seine 300 Euro in 20 BF Scheine geben mussten (20 BF sind ca. 6 Euro).

Zwischeneindruecke

Die von mir jetzt hier veroeffentlichen Zwischeneindruecke sind jetzt mal das, was bei mir so die letzten Tage – bis zu diesem Post haengengeblieben ist. Die sind mit den anderen nicht abgesprochen und werden sich in manchen oder auch vielen Bereichen sicher wiedersprechen.

  • beide Taxler, mit denen wir die grossen Strecken gefahren sind, haben von sich aus ueber die Gewerkschaften zu schimpfen begonnen, weil diese Jobs verkaufen (jede/r die/der in einem Job anfaengt, muss zwischen ein bis drei Monatsgehaelter an korrupte Gewerkschaftsvertreter abtreten). Die C-CURA hat nach Aussage vom Lukas, der sich da wirklich gut auskennt, viele Probleme mit den “alten” Gewerkschaften bekommen, weil sie von der Praxis abgegangen sind – ua eben auch das Anzuenden ihres Bueros in Puerto La Cruz.
  • Wer irgendwie kann, baut sich um sein Haus (gerade am Land ist das “Einfamilienhaus” (allerdings nicht so, wie wir es kennen) einen Zaun, einen Kaefig (so absurd das kling) oder eine Mauer. Die Steigerung ist der erwaehnte Wassergraben der Reichensiedlung in Puerto La Cruz.
  • Die Lebensmittelknappheit in Venezuela haelt weiterhin an. In ganz Santa Fe gabs keine Milch und selbst im Nobelsupermarkt in Puerto La Cruz mussten sie Zettel aufhaengen, das es keine Milch gibt.
  • Sowohl tiefste Armut als auch immenser Reichtum sind auf engstem Raum. Wobei die Reichen auch kein Problem damit haben, ihren Reichtum offen zur Schau zu stellen – mit der Motorjacht 500 Meter durch den Kanal zum Einkaufszentrum auf einen Kaffee.
  • Die Reichen haben sich ganze Stadtviertel geschaffen, die nur mit Berechtigung betreten werden duerfen. Es gibt Einfahrtsschranken mit Wachpersonal, Patroullien, Zauene, Mauern (Kanaele) die die Armen aussperren.
  • Auch der “staedtische Mittelstand” verbarrikadiert sich in seinen Wohnsiedlungen. Kein groesserer Wohnkomplex mit einer Unmenge Stacheldraht und Wachleuten.
  • Mir scheint – sehr vereinfacht – dass es vier verschiedene Arten von “Arbeit” gibt, die sich alle ueberschneiden – ich schreib hier mal nur ueber die Menschen, die mann traditionell (oder auch nicht ganz so traditionell) als “Arbeiterklasse” bezeichnen wuerde (den Rest kann ich nicht einschaetzen):1) Menschen die in gut organisierten Bereichen Beschaeftigt sind (wissen tu ich, dass das in der Industrie so ist – keine Ahnung wie das bei Banken und so ausschaut, vorstellen koennte ich mir das schon)
    2) Menshen, die in Bereichen beschaeftigt sind, die gewerkschaftlich nicht gut oder ueberhaupt nicht organisiert sind. Hier wuerde mir der Handel, aber auch das Putz- bzw. Wachpersonal beispielhaft einfallen.
    3) Menschen ohne “klassische” Beschaeftigung, die aber eine fixe Arbeitszeit und ein fixes Einkommen haben. Hier gibt es mit Sicherheit grosse Ueberschneidungen mit der Gruppe, die ich unter 2) geschrieben habe. Beispielsweise sind das die verschiedenen Nachtwaechter in unseren Hotels und Posadas, das Putzpersonal, wo es nicht angestellt ist, Beschaeftigte in kleineren Unternehmen, etc.
    4) Menschen die ueberhaupt nicht planen koennen, wie viel sie am Tag/im Monat verdienen. Hier gehts einerseits um Strassenverkauefer (vom Fruchtsaft bis zur Sonnenbrille), Busverkauefer (in den oeffentlichen Bussen steigen vor der Abfahrt Menschen ein, die Zeitungen und Suessigkeiten verkaufen) bis hin zu Taxifahrern, die 80 BF (25 Euro) pro Tag fuers gemietete Taxi zahlen muessen.
  • Nach allem was man von den VenezolanerInnen hoert, duerfte sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren verschlechtert haben:
    – Die Strandlokale in Santa Fe sperren um 22 Uhr zu und danach wird man aufgefordert, in den bewachten Bereich der Posada zu gehen
    – ein ehem. Fischhaendler hat uns erzaehlt, dass er nicht mehr in seinem Job arbeiten kann, weil er sich das Schutzgeld fuer eine Bande in Santa Fe nicht mehr leisten kann – jetzt faehrt er Taxi
    – Die Nationalgarde “geht” regelm. in Barrios und “befriedet” diese (wobei das Befrieden mehr die Eigendefinition sein duerfte und die halt die Bandenmitglieder (und zufaellig dazwischenkommende Menschen) erschiessen.
  • Es ist extrem muehsam, bis die GenossInnen hier greifbar sind. Es schein nicht moeglich sein, sich am Telefon was fixes auszumachen, dass dann auch eingehalten wird.
  • Fuer ein flaechenmaessig so grosses Land wie Venezuela scheint extrem wenig Flaeche landwirtschaftlich genutzt zu werden (und ein bisschen sind wir mit dem Bus ja auch herumgekommen). Wenn man jetzt von der regelmaessigen Lebensmittelknappheit weiss, ist das umso absurder.
  • Von einer politischen Diskussion auf der Strasse/in den Lokalen oder so was wie einer “revolutionaeren” Aufbruchstimmung ist nichts zu bemerken. Selbst die aktuellen Graffittis reduzieren sich auf das Referendum, dass jetzt schon einige Zeit her ist und sind symptomatisch mit “Si con Chavez” oder einem schlichten “no”. Am ehesten hat man das Gefuehl, dass sich das Fernsehen mit Sozialismus beschaeftigt, was dann aber eher den oberlehrerhaften Charakter einiger Politfunktionaere oder vom Chavez selber hat.
  • Gewerkschaftliche Organisierung spielt sich (soweit ich das bisher mitbekommen hab) einzig und allein um den traditionellen Bereich der IndustriearbeiterInnen ab. Wenn venezolanische GenossInnen von der Arbeiterklasse reden (und das tun sie oft) habe ich den Eindruck, dass sie nur diesen kleinen Ausschnitt meinen.

Sonntag 17. Februar

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Der Sonntag wird zum letzten Erholungstag in Santa Fe ausgerufen. Bei einem gemuetlichen Bierchen am Strand planen wir die naechsten Tage (soweit moeglich). Wie jeden Sonntag findet auch am 17. Februar Alo Presidente, die woechentliche Fernsehshow des Praesidenten Hugo Chavez statt.

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Diesmal steht sie ganz im Zeichen des Konfliktes mit Exxon Mobile – trivial formuliert: Venezuela hat vor einiger Zeit alles was mit Erdoel zu tun hat in soweit verstaatlicht, dass PDVSA  mindestens 51 Prozent haelt und mit den auslaendischen Unternehmen Joint Ventures eingeht. Die meisten Multis haben mit Venezuela einen Deal abgeschlossen, wonach sie sich diese “Verstaatlichung” in Oel auszahlen lassen. Exxon Mobil hat beim WTO Gerichtshof geklagt und jetzt recht bekommen. Venezuela muesste demnach eine immense Summe an Exxon zahlen um die zur Gaenze auszukaufen. Wenn sich zu dem wer besser und ein bissl serioeser auskennt, wuerd ich mich ueber ein erlaueterndes und auch berichtigendes Posting freuen.

Was mir an der Medienpraesenz von Chavez und an Alo Presidente schon mehr als komisch vorkommt ist, dass der Spass am Vormittag auf mindestens 8 Venezuelanischen Sendern laueft und im Staatsfernsehen (zumindest auf einem Sender) ueber 8 Stunden live (Chavez redet und redet und redet – zum Teil mit seiner Tochter neben sich).

Ueberhaupt ist die “Sozialismusdebatte” im Fernsehen so, dass alles, was nicht PSUV (also die neue sozialistische Einheitspartei vom Chavez) ist, nicht vorkommt. Und die PSUV ist im Augenblick nicht mehr als 1.600 Delegierte, die einmal gewaehlt wurden, sich jetzt aber gegenueber niemandem mehr verantworten muessen.

Im staatlichen Fernsehen jedenfalls sieht man fast nur PSUV und Chavez!

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Samstag, 16. Februar

Mittags gehts mit dem Bus von Santa Fe nach Puerto La Cruz – wieder mal, um uns mit dem Jose Bodas zu treffen.

Weil wir aber nicht irgendwo den Tag verscheissen wollen, bis er sich endlich meldet – was sich schon abzeichnet – mieten wir uns fuer den Nachmittag ein Taxi um ein paar Film- und Fotoaufnahmen zu machen und uns Puerto La Cruz anzuschauen.

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Als erstes fahren wir zur Raffinerie (eben zu der grossen, wo der Bodas Generalsekretaer der Gewerkschaft ist). Dort laesst uns die Nationalgarde eineinhalb Stunden vor dem Eingang warten um uns schliesslich unter der Hand zu sagen, dass die PR Abteilung “angesoffen” ist. Kathrin und Lukas kommen allerdings unter dem Vorwand, dass die Kathrin aufs Klo muss in die Raffinerie und der Arbeiter, der sie dazu abholt fragt sie gleich als erstes ob die die Kamera eh mithaben. Also ein paar kurze Filmaufnahmen aus der Raffinerie gibts.

Danach gehts zum Hauptsitz von PDVSA (das ist der staatliche Erdoelkonzern). Rein duerfma natuerlich auch nicht, aber davor machma schoene Fotos und ein paar Filmaufnahmen.

Die restliche Fahrt mit dem Taxler gibts Filmaufnahmen der Reichensiedlung (vorheriges Post) und ein paar Aufnahmen von “Arbeitersiedlungen” und Graffittis. Der nette Taxler fahrt uns dann auch noch auf einen Aussichtsberg, von wo wir einen guten ueberblick ueber die Stadt bekommen.

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Dann endlich – der Genosse Bodas meldet sich und hat Zeit. Wir treffen uns im Bunker (ein besetztes Haus, in dem diverse linke Organisationen ein Buero haben. Die C-CURA hat vor einigen Jahren in Puerto La Cruz ein eigenes Gewerkschaftsbuero gehabt, dass allerdings kurz nach der Eroeffnung von der “Konkurrenz” – also den korrupten Gewerkschaften, die die Arbeitsplaetze verkaufen – angezuendet wurde. Auch wenn ichs nicht glauben kann, waehrend wir dort sind, verirrt sich tatsaechlich am Samstag Abend ein Arbeiter in Uniform der Nationalgarde Reserve mit seinen Fragen zum Bunker.

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Jose Bodas:

  • Scharfe Kritik an den Managern von PDVSA (die haengen sich den Che, den Bolivar oder sonst wen ins Buero und behaupten, dass sie jetzt sozialistische Politik machen, waehrend sie die Arbeiter in den Betrieben verarschen. Nette Geschichte von einem Generaldirektor, der gekommen ist und gemeint hat, dass sie ja alles Genossen seien und deshalb zusammenhalten muessten – worauf ihm die Gewerkschaftsvertreter einen Blaumann (blauer Arbeitsanzug) hingehalten haben und gemeint haben, er koennte ja schon mal zum arbeiten anfangen.
  • Obwohl PDVSA ein staatlicher Vorzeigebetrieb ist, gibt es so gut wie keine Mitbestimmung der ArbeiterInnen und Angestellten im Unternehmen – also wieder nix mit Sozialismus (weder im 20. noch im 21. Jahrhundert – ausser wir nehmen den ehem. Staatssozialismus im Osten, der aber von niemandem ernsthaft wieder gewollt werden kann).
  • Bodas verweist auch auf ein Problem mit einem verlorenen Arbeitskampf um die Erhoehung des KVs im Erdoelbereich vom September 07 hin, auf Grund dessen, jetzt Druck auf die staendig vor dem Streik stehenden Arbeiter im Stahlwerk SIDOR ausgeuebt wird – a la: was wollt ihr denn ueberhaupt, wenn die stark gewinnbringende Erdoelindustrie so niedrig abgeschlossen hat.

Laut Lukas liegt im venezolanischen Parlamen seit laengerem ein Antrag vor (der noch nicht abgestimmt wurde) der fuer einen Streik im Erdoelbereich mit bis zu 18 Jahren Gefaengnis droht. Allgemein gilt ein relativ kompliziertes Modell mit einer Friedenspflicht – das mich vage an Deutschland erinnert.

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Freitag, 15. Februar

Der vereinbarte Termin mit dem Jose Bodaz fuers Interview verschiebt sich und wir Deppen verscheissen 800 Dollar (alle 5 zusammen) weil wir auf einen Bulgarischen Kleinkriminellen reinfallen – naehere Infos zum duemmsten Versuch Schwarz Dollar zu wechseln gibts auf Nachfrage, wenn wir wieder in Wien sind.

 Der Rest des Tages wird relaxt – sofern aufgrund des Aergers moeglich

Donnerstag, 14. Februar

Da die Bibi in ihrem Post ueber den letzten Artikel eine gewisse Unzufriedenheit ueber meine Berichterstattung zum Ausdruck gebracht hat, werd ich mich bemuehen und ein bissl anzahn.

 Bitte nicht wundern, falls in den naechsten Postings jetzt mal keine Fotos sind, aber mir erscheint tatsaechlich die inhaltliche Aufarbeitung unserer Reise fuer den Moment wichtiger, als die Zeit mit raufladen von Fotos zu verscheissen – die Fotos kommen, sobald der Text fertig ist.

Fuer Donnerstag, den 14. Februar war ein Termin mit dem Generalsekretaer der Erdoelgewerkschaft von Puerto La Cruz geplant. In Puerto la Cruz steht eine der beiden groessten Raffinerien Venezuelas, die dann doch ein Hauseck groesser sind als die OMV in Schwechat. Dementsprechend viele Menschen sind dort beschaeftigt und der Generalsekretaer in der hiesigen ArbeiterInnenbewegung wichtig. Generalsekretaer ist hier sowas wie ein freigestellter Betriebsratsvorsitzender (eben der Raffinerie).

Wir sind auf gut Glueck von Santa Fe nach Puerto La Cruz (weil der liebe Jose Bodaz – das ist der Name des Generalsekretaers) sich am Lukas seinen Handy trotz 10maligen anrufens nicht gemeldet hat.

In Santa Fe sind wir dann mal in eines der bonzigen Einkaufszentren – da kommen in kuerze schoene Fotos von einer viele Kilometer langen Reichensiedlung, die direkt an das Einkaufszentrum angrenzt – und haben uns mit der Anna und dem Petzl getroffen, die in der Nacht vorher in Puerto La Cruz angekommen sind. Der Reichtum in Puerto La Cruz – fast direkt neben den Barrios – ist ziemlich zum speiben. In ganze Stadtteile kommst nur mit Zufahrtsberechtigung, 50 Jachten stehen in einer Lagune mitten im Stadtzentrum, die die Reichensiedlung von der Strasse und den “normalen Menschen” trennt. Also nicht Zauene und Mauern, sonder Wassergraeben scheinen hier in Mode zu sein.

Mit dem Interview vom Boda (Anna, Petzl, Lukas und Kathrin machen einen Film ueber die C-Cura – das ist die Gewerkschaftsstroemung, zu der wir Kontakt haben und ueber die in den naechsten Posts noch oefter die Rede sein wird) ist dann nix mehr geworden. Wir haben uns allerdings mit der Nr. 2 der C-Cura in Puerto La Cruz zum Plaudern und fuer ein Interview getroffen. Natuerlich muss auch sein Name hier genannt werden – er heisst Hector Rincon und ist Technischer Angestellter in der Raffinerie. Ein Foto vom Hector folgt.

Dienstag 12. und Mittwoch 13. Februar

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Am Dienstag wars dann so weit und wir haben unsere gemuetliche Posada am Orinoko verlassen und uns ins Ferienparadies Santa Fe aufgemacht (ca. 50 Minuten von Puerto La Cruz entfernt).

Eigentlich war geplant, dass wir ein paar Naechte direkt in Puerto La Cruz naechtigen, nachdem aber die Posada direkt am Strand (Santa Fe) nur 30 Euro gekostet hat waehrend die Hotels in Puerto La Cruz so um die 80 Euro gekostet haetten, war klar, dass wir gleich an den Strand fahren und mit dem Bus pendeln.

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Fuer die Fahrt von Ciudad Bolivar nach Puerto La Cruz haben wir dann nochmal richtig fett Geld ausgegeben, weil wir erst in der Nacht einen brauchbaren Bus (Privat) bekommen hatten. Oeffentlich gabs nur Busse bis El Tigre (die Busse hatten) vom Ausschauen her, schon einige groebere Unfaelle ueberstanden) und dort haetten wir auf einen Anschluss hoffen muessen. Also haben wir uns gleich mit dem Sammeltaxi (allerdings nur wir drei) die ganze Strecke von Ciudad Bolivar nach Santa Fe fahren lassen. Gekostet hats rund 100 Euro (was sich aber ausgezahlt hat).

Am 13. Februar war dann am Strand liegen, Cocktails trinken und auf Anna und Petzl warten angesagt – also ein richtiger Relaxtag.

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Jetzt muss ich leider schon wieder aufhoeren, weil in 20 Minuten der Bus von Puerto La Cruz nach Carracas abfaehrt. Sobald ich in Carracas in ein Internetcafe komme, folgen die Berichte der letzten Tage und vorallem auch weitere politische Eindruecke. Eine Einschaetzung traue ich mir noch nicht zu, vielleicht nach dieser Woche.

Montag 11. Februar

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Fuer Montag, den 11. Februar hatten wir urspruenglich geplant, dass wir uns mit einem Gewerkschafter des groessten Vvenezolanischen Stahlwerkes SIDOR treffen. Dort gibts den ehemaligen C-CURA Mann Melendez, der mit Stalin Perez Borghes in die PSUV (also die neue Sozialistische Partei von Chavez) gegangen ist.

Aus SIDOR und Melendes wurde aber leider nichts, weil die relativ heftig im Kampf um einen neuen Kollektivvertrag stecken und deshalb fast dauernd kurz vor einem Streik stehen. Die haben eben auch grade an dem Wochenende gestreikt, an dem wir in Venezuela angekommen sind.

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Und weil die Genossen hier ein bisschen unzuverlaessig sind, haben wir uns schon im Vorfeld ein Alternativprogramm ueberlegt und uns ein Privattaxi gecheckt, dass uns zum – zumindest hier beruehmten – GURRI Staudamm gebracht hat. Das sind ca. 2 Stunden Fahrzeit von Ciudad Bolivar (wo wir ja waren). Diese Privattaxis sind hier relativ billig, wir haben insgesamt nicht ganz 100 Dollar (offizieller Wechselkurs) bezahlt, dafuer ist der Fahrer dann doch etwas mehr als 6 Stunden mit uns spazierengefahren.

Die Fotos sind alle von der Fahrt zum Staudamm, bzw. vom Staudamm selber halt.

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