Dienstag, 19. Februar – Nachmittag

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Am Dienstag Nachmittag haben wir uns mit Stalin Perez Borghes getroffen. Einigen ist er vielleicht ein Begriff, weil er vor zwei Jahren schon in Wien war. Der Stalin ist einer der nationalen Koordinatoren der UNT (das ist der eh schon erwaehnte Gewerkschaftsdachverband). Stalin war einer der wesentlichen Gewerkschaftsfuehrer der C-CURA und deren Vorsitzender im staerksten Industriebundesstaat Carabobo. Ueber den Konflikt um die Gruendung der PSUV und das Verfassungsreferendum hat sich die C-CURA dann gespalten in einen Teil der noch die alte C-CURA ist und eine politische Stroemung innerhalb der PSUV, der sich Marea Socialista nennt. Das “Projekt” Marea Socialista macht Stalin mit anderen Linkschavisten wie dem ebenfalls manchen in Wien bekannten Rubens Linares.

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Was bei unserem Gespraech mit dem Stalin rauskommt, ist, dass beide ehem. Teile der C-CURA ziemlich zerstritten sind, allerdings ist es schon so, dass die Menschen immer noch miteinander reden. Stalin glaubt, dass sich Venezuela gerade in der tiefsten Krise des Chavismus befindet, allerdings ebenso in der tiefsten Krise der ArbeiterInnenbewegung – eben aufgrund der Spaltung der C-CURA. Stalin gesteht auch ein, dass alles was Orlando Chrinio (der “Fuehrer” des anderen Teils der C-CURA) sagt inhaltlich richtig ist, ihn allerdings die Art , wie er seine Kritik am Chavismus vorbringt fuer viele in der Wahrnehmung als Rechten erscheinen laesst. Stalin stimmt mit Miguel Angel ueberein, dass die PSUV den grossteil ihrer Basis in den Barrios hat und das die PSUV nur ca. 700.000 Mitglieder hat. In der PSUV selbst, sieht Stalin eine grosse Unzufriedenheit gegenueber der Regierungspolitik und das Potential, dass sich die kritischen Kraefte in ihr sammeln und organisieren. Er beziffert die unzufriedenen linken mit ca. einem Drittel der PSUV.

Zur Rettung des revolutionaeren Projekts in Venezuela sieht Stalin zwei Moeglichkeiten:

  • eine perspektivische Spaltung der PSUV mit einem relativ starken linken Fluegel
  • eine grosse Streikbewegung, die den revolutionaeren Prozess wieder in Bewegung bringt (meiner Einschaetzung nach, kann diese Streikbewegung tatsaechlich kommen, wenn der unbefristete Streik im groessten venezolanischen Stahlwerk SIDOR kommenden Montag tatsaechlich startet (doch dazu spaeter mehr), denn die Situation auch unter den organisierten ArbeiterInnen ist mehr als unzufriedenstellend.

Stalin gesteht ein, dass der Chavismus soziale Errungenschaften gebracht hat, allerdings hat Chavez auf halbem Weg begonnen, sich als Koenig der Karibik zu fuehlen und ist als Weltrevolutionaer spazierengefahren, waehrend sich die Krise im eigenen Land verschaerft hat – hier verweist er auf die von mir schon beschriebene Lebensmittelknappheit und die Problematische Sicherheitslage. Hier muss ich mich verbessern: Die Aussage mit dem Koenig der Karibik kommt nicht von Stalin selbst, sondern er nennt sie uns nur als ein Beispiel, mit welcher Kritik an Chavez er immer wieder konfrontiert wird.

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Von der aktuellen Regierung erwartet er sich keine Linksschwenk, allerdings warnt er auch, dass wenn Chavez stuerzt, die alten Machteliten schon warten; die Macht selbst aber nur mit Gewalt und Militaer ausueben koennten. Was die Situation in der PSUV so problematisch macht, ist, dass sich immer bei internen Konflikten die Regierungsbuerokratie (und der Ausdruck ist meiner Einschaetzung nach hier durchaus angebracht, auch wenn das ueblicherweise nicht meine Ausdrucksweise ist – denn dieses Land erscheint mir sehr verbuerokratisiert) gegen die Basis durchsetzt.

Am Abend warma dann noch im Stalin seiner neuen Wohnung in Carracas mit ihm ein paar Bier heben!

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